Im Winter ist Karl (60) im Pfuusbus zuhause. Hier findet er nicht nur einen warmen Schlafplatz und gutes Essen, sondern ist auch für den Unterhalt und die Reinigung zuständig.

Selbstbestimmtheit und Freiheit bedeuten mir viel

«Ein ortsgebundenes Leben mit wenig Abwechslung war noch nie etwas für mich. Deshalb verschlug es mich schon vor 15 Jahren zum ersten Mal aus Österreich in die Schweiz. Damals arbeitete ich als Schlosserhelfer bei einer Müllverbrennungsrevision im Wallis und wohnte anfangs in einer Wohnung des Arbeitgebers. Als ich mich in eine afrikanische Frau verliebte, bin ich bald darauf mit ihr in eine gemeinsame Wohnung in Wettingen gezogen. Kurze Zeit später läuteten sogar die Hochzeitsglocken, damit das gemeinsame Liebesglück nicht durch die ablaufende Aufenthaltsbewilligung meiner Partnerin gefährdet wird. Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit uns. Wir trennten uns und gingen eigene Wege.

Im Winter stand ich vor Existenzproblemen

In den Sommern fand ich überall ein wenig Arbeit, um im Leben durchzukommen. Aber allein in der gemeinsamen Wohnung zu leben, fühlte sich für mich nicht mehr richtig an. Zudem stand ich im Winter ohne Arbeit vor Existenzproblemen. Durch den Hinweis der Vermieterin kam ich zum ersten Mal mit dem Pfuusbus in Kontakt. Ich konnte damals nicht ahnen, dass das ein bedeutender Moment für mein zukünftiges Leben darstellte, als ich auf meinem Handy das Angebot der Auffangeinrichtung im Albisgüetli entdeckte. Bereits nach dem ersten Kontakt erhielt ich im Pfuusbus kurzerhand einen Schlafplatz und eine warme Mahlzeit in der kalten Jahreszeit. Mein Überleben im Winter war somit gesichert. In den folgenden Sommern wohnte ich dank meinen Sommerjobs in einer Wohnung meiner Arbeitgeberin oder übernachtete zur Not auch mal in einer Waldhütte.

Das liegt mittlerweile zehn Jahre zurück und der Pfuusbus ist seither in jedem Winter mein Zuhause. Ich habe schon viel erlebt, schon viele schwere Lebensgeschichten von Gästen gehört. Nachhaltige Freundschaften sind selten möglich, da die meisten Gäste nur flüchtig im Pfuusbus anzutreffen sind. Meistens kommen sie kurzfristig für einen warmen Schlafplatz und eine Mahlzeit vorbei oder um ihre Ruhe zu finden und für sich zu sein. Was mich manchmal traurig stimmt, ist die Selbstverständlichkeit gewisser Gäste. Ich würde mir wünschen, dass das grosszügige Angebot und der gutherzige Einsatz des Personals mehr Wertschätzung bekommen. Denn nicht selten bereitet das Küchenpersonal ein 3-Sterne-Menü für jeden Geschmack aus der gut gefüllten Vorratskammer zu.

Dank dem Pfuusbus habe ich ein neues Leben

Nur zurücklehnen und annehmen ist selbst in meinem heutigen Alter nichts für mich. Disziplin ist mir seit jeher wichtig. Ich möchte helfen und arbeiten. Das ist bereits früh im Pfuusbus aufgefallen, weshalb ich von Anfang an bei Unterhalts- und Reinigungsarbeiten in der Einrichtung mithelfen konnte. Die Arbeit und der gute Teamgeist sagen mir sehr zu und meine Ausbildung und Erfahrung als Heizungssanitär sind mir stets eine grosse Hilfe. Im Laufe der Zeit sind die Hilfsarbeiten immer mehr geworden. Inzwischen habe ich nebst dem Schlafplatz eine Teilzeit-Anstellung für den Unterhalt und die Reinigung im Pfuusbus erhalten und darf beim Auf- und Abbau im Herbst und Frühling anpacken. Beim Aufbau im November müssen die sanitären Anlagen, Strom und Heizung innerhalb von zwei Wochen in Betrieb sein und reibungslos funktionieren. Dank der Unterstützung durch das Sozialwerk von Pfarrer Sieber habe ich auch nach dem Abbau im Frühling eine Lösung gefunden, um nicht auf der Strasse zu landen. Seit kurzem wohne ich während der Sommerzeit in einem Zimmer in Zürich und arbeite als Reinigungskraft in Siebers Jugendnotschlafstelle Nemo und in der Notwohnsiedlung Brothuuse. Der Pfuusbus hat mir zu meinem heutigen Leben verholfen, wofür ich sehr dankbar bin.»